Ein Projekt zur gewaltpräventiven Arbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Die Europäische Union ist Migrationsziel einer Vielzahl von Menschen aus europäischen und internationalen Drittstaaten, darunter auch viele Jugendliche. So sind jährlich ca. 800.000 Zuzüge zu verzeichnen, davon ca. 35 % aus Drittstaaten. Die Hauptherkunftsländer sind dabei die Balkanregion (vor allem Serbien), die Russische Föderation, Türkei, aber auch, wenngleich in verminderten Maße der Irak (2010: 13.000), Afghanistan (2010: 4.600) und Afrika. Die Gründe für den Zuzug sind vielfältig und reichen von Studien- und Arbeitsaufenthalten über Familienzusammenführungen bis hin zu Flucht und Asylsuche.
Eine Reihe von Herkunftsländern ist aktuell oder war in jüngerer Vergangenheit von gesellschaftlichen und politischen Konflikten, zum Teil auch von gewaltsamen, bewaffneten Auseinandersetzungen oder gar Kriegen gekennzeichnet. Vielfältige erlebte oder beobachtete massive Gewalt führt – gerade auch bei Jugendlichen – zu einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis. Viele leiden noch unter den Erlebnissen, werden von ihnen emotional dominiert oder sind gar traumatisiert.
Durch Migration, Vertreibung und Flucht kommt es zu oft schwierigen Neuorientierungen und Verunsicherungen, und zwar auf beiden Seiten, sowohl bei den Migrant*innen, als auch in der aufnehmenden Gesellschaft. Eine verstärkte Suche nach Zugehörigkeit sowie nach Sicherheit kann auf der Seite der Migrant*innen die Folge sein. Eine wichtige Rolle für das Erleben der eigenen Identität spielen dabei auch sog. „Übergangsobjekte“ (symbolisch aufgeladene Gegenstände), zu denen auch Waffen gehören können, die diese vermissten Gefühle symbolisieren.
Für Jugendliche spielen Waffen im Hinblick auf die eigene Gewaltbereitschaft eine besondere Rolle. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass mit dem Mitführen von Waffen die Anwendung von Gewalt signifikant steigt. Englische Untersuchungen sprechen davon, dass 21 % der Schüler*innen Waffen (vor allem Messer) mit sich führen würden. Deutsche Studien des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (Forschungsbericht 114, S. 126 ff.) sprechen von 15 % der Schüler*innen, die in der Schule Waffen dabei hätten, während im Freizeitbereich bereits bis zu 33 % Waffen mit sich führen würden.
Die Praxis der Gewaltprävention hat in den letzten Jahren wichtige Ansätze und Vorgehensweisen entwickelt und etabliert, doch erstaunlicherweise wurde ein Themenbereich bislang vollständig ignoriert: Das Phänomen der Faszination von Waffen, die auf viele Jugendliche einwirkt. So bemängelt z.B. das Deutsche Jugendinstitut, dass bislang in den Ansätzen der Jungenarbeit das Thema Waffen als Element männlicher Überlegenheitsinszenierung kaum aufgegriffen wird. Es bedürfe neuer Ansätze zur offenen Auseinandersetzung auch mit diesem Aspekt männlicher Sozialisation, wobei das Themenfeld nicht nur männliche Jugendliche betrifft. Die Übergänge von einer faszinierten Sicht auf Waffen bzw. auf Waffengewalt zu einer akzeptierenden Sicht gilt es zu erkennen und zu benennen. Vor diesem Hintergrund werden in dem Projekt pädagogische Zugangs- und Umgangsweisen mit diesem Phänomen entwickelt und erprobt.
Das übergeordnete Projektziel ist, das Thema Waffen und seine Bedeutung für Integration durch Gewaltprävention in zentralen Aspekten deutlich zu machen und hierzu Möglichkeiten des pädagogischen Umgangs unter Einbeziehung von Jugendlichen aufzuzeigen. Dabei geht es auch um die Begrenzung von Risikofaktoren und die Förderung von Schutzfaktoren im Sinne einer resilienzorientierten Präventionsarbeit.
Mit diesem Projekt sollen zwei Zielgruppen erreicht werden. Zum einen sind dies Jugendliche primär aus EU-Drittstaaten, die aus Ländern und Regionen kommen, in denen Erfahrungen mit Gewalt und Waffen wahrscheinlich sind.
Die zweite Zielgruppe umfasst Multiplikatoren (Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen usw.), die direkt mit diesen Jugendlichen Kontakt haben bzw. mit ihnen arbeiten. Mit beiden Zielgruppen sollen in diesem Pilotprojekt pädagogisch verwertbare Erfahrungen gesammelt werden. Das Entwickeln und erste Erproben von pädagogischen Ansätzen für ein neues pädagogisches Arbeitsfeld ist das Ziel.
Gemeinsam mit einer Vielzahl an Partner*innen und Unterstützer*innen aus Deutschland und Europa führt der Kubus e.V. dieses Projekt unter Federführung der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg (TGBW) e.V. seit 01.04.2013 durch.
Die Partner*innen und Unterstützer*innen des Projektes sind die „Berghof Foundation“ in Tübingen, das „Anne Frank Zentrum“ Berlin, „Tetthely“ aus Pecs in Ungarn, die „Akademie für Sozialwissenschaftliche Innovation e.V“ aus Waiblingen, der „174 – Trust“ aus Belfast und die „Metropolitan Police“ aus London.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds kofinanziert.