Syrischer Schwimmmeister Abdulfatt Wis gibt ehrenamtlich Kurse für Kinder und Erwachsene im Murrhardter Freibad
Von Yvonne Weirauch Erstellt: 13. August 2019, 06:00 Uhr
„Komm, trau dich. Spring rein“, fordert Abdulfatt Wis Pauline auf. Sie blickt kurz zur ihrer Mutter, die am Beckenrand steht, dann schaut sie auf das Wasser und hüpft hinein. Nur kurz ist sie untergetaucht. Als sie wieder an der Oberfläche ist, lacht das Mädchen. Die Angst vorm Wasser nehmen – das ist das Ziel dieses Kurses, den der syrische Schwimmmeister im Murrhardter Freibad anbietet.
MURRHARDT. „Die Wassertemperatur beträgt 24 Grad Celsius“, ruft Jahn Lübkemann am Beckenrand. Der Murrhardter Schwimmmeister hat gerade die Sitzbänke zurechtgerückt und begrüßt die ersten Badegäste. Darunter ist auch Abdulfatt Wis. Der junge Syrer frönt hier allerdings nicht seinen eigenen Badefreuden – er gibt als zertifizierter Schwimmlehrer ehrenamtlich Kurse. An diesem Tag hat er sieben Schützlinge, vier Mädchen und drei Jungs im Alter zwischen neun und 15 Jahren, die sich um ihn gereiht haben.
„Nach dem Selbstverteidigungskurs für Mädchen und Frauen führen wir diese Kurse im Rahmen des Projekts ,angekommen – angenommen‘ durch“, erklärt Jochen Schneider vom Verein Kubus (Kultur und Begegnung für Menschen in unterschiedlichen Situationen). Die Kurse für Kinder zwischen sechs und acht Jahren und für Kinder und Jugendliche zwischen neun und 15 Jahren wurden in den vergangenen zwei Wochen abgehalten. Nicht nur Kinder erfreuen sich an den Kursen des Schwimmlehrers: Erwachsene haben in dieser Woche die Möglichkeit, das Schwimmen und die Sicherheit im Wasser zu lernen. „Da hatten wir relativ schnell viele Anmeldungen“, lässt Jochen Schneider wissen. „Der Kurs ist für die Teilnehmer kostenlos – bei der Anmeldung waren zwar zehn Euro fällig, die haben die Teilnehmer aber zurückbekommen, wenn sie an vier von fünf Kurstagen dabei waren“, erläutert Jochen Schneider. Meist habe es sich so ergeben, dass die Kinder im Kurs waren und sich dann die Eltern, der Onkel oder der Großvater für den Erwachsenenkurs angemeldet hatten. Die Anmeldung erfolgte direkt im Freibad Murrhardt oder im Büro der Caritas im Container der Asylunterkunft. „Das Angebot hat sich explizit an Murrhardter gerichtet, die sozusagen einen schmalen Geldbeutel haben, egal welcher Herkunft, welcher Abstammung, und die Freude an der Begegnung haben“, sagt Schneider. Ziel des Crashlehrgangs sei nicht das Erlangen des Seepferdchens, sondern „die Angst vorm Wasser zu verlieren und ein paar Meter schwimmen zu können“.
Abdulfatt Wis hat sich die vergangenen Tage morgens gut zwei Stunden Zeit genommen, bevor er zu seiner Arbeitsstelle – das Winnender Wunnebad – gefahren ist. Sein Element ist das Wasser, das merkt man dem 24-Jährigen an, der unter anderem auch in der Flüchtlingsarbeit tätig ist. „Wir hatten ganz unterschiedliche Gruppen beisammen“, erzählt er. Deutsche, nigerianische, irakische oder auch rumänische Kinder hätten sich spielerisch mit dem Wasser im Schwimmbecken angefreundet.
Wis klatscht in die Hände: „Es geht los.“ Warmmachen, Trockenübungen am Beckenrand. Seine sieben Schützlinge an diesem Tag Felix, seine Schwester Pauline, Navin, Dyana, Saverin, Hisham und Joel hören aufmerksam zu, wenn der Schwimmlehrer die Übungen erklärt. „Am Anfang ist es natürlich wichtig, die Kinder an das Wasser zu gewöhnen“, so Wis. Da dürften die Schwimmnudel und das Reinspringen vom Beckenrand nicht fehlen. Doch bevor es im Wasser an die ersten Schwimmübungen geht, kommt beim Schwimmlehrer der Spaß nicht zu kurz, denn nur so würden die Kinder auch gerne mitmachen. „Wir laufen jetzt erst mal im Wasser und bilden einen Kreis“, sagt Wis. Dann tauchen die Kinder nacheinander ab und die anderen zählen die Sekunden, wie lange die Luft angehalten werden kann. Die Poolnudel kommt zum Einsatz. Mit seiner ruhigen Art vermittelt Abdulfatt Wis, wie die Kinder den Kopf in der gebogenen Nudel ablegen sollen. „Joel, lass die Augen offen“, mahnt der Schwimmlehrer an. Er rückt den Kopf von Felix in die richtige Position und lobt: „Das macht ihr richtig gut.“ Zwischen den einzelnen Schwimmetappen dürfen die Kinder immer wieder abtauchen, um so das Gefühl für das Wasser zu bekommen. Die ersten Brustschwimmbewegungen an diesem Tag benötigen noch die eine oder andere Hilfestellung von Wis: „Aber die Gruppe hat sich echt gut gemacht und ist schon ziemlich sicher im Wasser.“ Dabei wäre es bei den Erwachsenen oft schwieriger, sie an das Wasser zu gewöhnen, erklärt der Schwimmlehrer. „Da muss man sich einfach Zeit lassen.“ Das Einzige, was bei den Erwachsenen erheblich einfacher ist: „Sie sind nicht ganz so quirlig wie die Kleinen“, sagt Jochen Schneider lachend.